§ 11 Das Beweisrecht / g) Die Vernehmung des Zeugen durch den gesetzlichen Richter | ... (2024)

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Frank-Michael Goebel, Regine Förger

Rz. 269

Der Zeuge ist grundsätzlich vor dem gesamten Prozessgericht, d.h. beim Landgericht vor der Kammer oder dem zuständigen originären oder obligatorischen Einzelrichter zu vernehmen.

aa) Die Vernehmung des Zeugen vor dem beauftragten Richter

Rz. 270

Nach §375 Abs.1 ZPO kann das Prozessgericht, soweit es als Kammer entscheidet, einem seiner Mitglieder die Vernehmung des Zeugen übertragen, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag und weitere noch darzustellende Gründe vorliegen.

Rz. 271

Tipp

Eine Übertragung der Beweisaufnahme auf den beauftragten Richter scheidet damit dann aus, wenn es auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen ankommt, da sich von der Glaubwürdigkeit des Zeugen das gesamte Gericht einen Eindruck machen muss. Deshalb sind in den Fallkonstellationen, in denen eine Übertragung der Beweisaufnahme auf den beauftragten Richter in Betracht kommt, regelmäßig auch die Voraussetzungen dafür gegeben, dass der Zeuge die Beweisfrage nach §377 Abs.3 ZPO schriftlich beantwortet.

Auf diese Alternative sollte der Bevollmächtigte grundsätzlich hinweisen,[180] da in der Praxis die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage durch den Zeugen schneller zu bewerkstelligen sein wird als die Vernehmung des Zeugen in einem Beweistermin vor dem beauftragten Richter. Auch erspart der Bevollmächtigte so einen– nicht gesondert vergüteten– Beweisaufnahmetermin, wenn sich herausstellt, dass der Zeuge doch vor der gesamten Kammer gehört werden muss. Solche Anhaltspunkte lassen sich regelmäßig der schriftlich beantworteten Beweisfrage entnehmen.

[180] Muster eines Antrages auf Anordnung der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage durch einen Zeugen unter Rdn719.

bb) Die Vernehmung des Zeugen vor einem ersuchten Richter

Rz. 272

Unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen eine Vernehmung des Zeugen durch einen beauftragten Richter möglich ist, kann dieser nach §375 ZPO auch durch einen ersuchten Richter eines anderen Gerichts, regelmäßig des Wohnsitzgerichts des Zeugen, vernommen werden, wenn anzunehmen ist, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne den unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme und dem Erleben des Zeugen sachgerecht zu würdigen vermag und die weiteren noch darzustellenden Voraussetzungen vorliegen.

Rz. 273

Hinweis

Von dieser Art der Vernehmung durch ein Rechtshilfegericht sollte– soweit sich der Zeuge im Inland befindet– nur selten Gebrauch gemacht werden. Die Praxis zeigt, dass die Protokolle der Vernehmung eines Zeugen im Wege der Rechtshilfe regelmäßig den Sach- und Streitstand nicht vollständig durchdringen und damit im Ergebnis nicht zu befriedigen vermögen. Im Hinblick auf den mit einer Vernehmung im Wege der Rechtshilfe verbundenen Zeitverlust wird gleichwohl in der Praxis häufig von einer erneuten Ladung des Zeugen vor das Prozessgericht abgesehen. Nicht zuletzt, weil die Parteien selbst auf einen zügigen Abschluss des Verfahrens drängen. Diese Praxis im stillen Einverständnis aller Prozessbeteiligten ist auch im Hinblick auf das Prozessergebnis abzulehnen. Rechtlich ist die Situation eindeutig: Liegt die Voraussetzung, dass das Prozessgericht auch ohne einen persönlichen Eindruck von dem Zeugen entscheiden kann, nicht vor, ist die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht zu wiederholen.[181]

Rz. 274

Die Beweisaufnahme in Form der Vernehmung eines Zeuge im Wege der Rechtshilfe sollte deswegen auf absolute Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen der Zeuge als Beweismittel sonst gänzlich unzugänglich bleibt. In Zeiten hoher Mobilität und unter Berücksichtigung der vollen Kostenerstattung für den Zeugen dürften nur in seltenen Fällen einer unmittelbaren Vernehmung vor dem Prozessgericht zwingende Gründe entgegenstehen. Dabei mag im Einzelfall auf die besonderen zeitlichen Probleme des Zeugen durch die Wahl der Terminzeit Rücksicht genommen werden.

Rz. 275

Tipp

Auch in diesen Konstellationen kann es grundsätzlich ratsam sein, zunächst die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage anzuregen. Dabei sollte vorgeschlagen werden, dass der Zeuge darauf hingewiesen wird, dass von einer detaillierten und ausführlichen Beantwortung der Beweisfrage abhängig ist, ob seine weitere Ladung erforderlich ist. Dabei können dem Zeugen auch Hinweise gegeben werden, welchen Aspekten seiner Aussage besondere Bedeutung zukommt.

Rz. 276

Beispiel

In einer Verkehrsunfallsache ist keine detaillierte Aussage des Zeugen zur Feststellung von Anknüpfungspunkten für eine verkehrsanalytische Begutachtung zu erwarten, wenn die Beweisfrage lediglich dahingeht, "über Ursache und Hergang des Verkehrsunfallereignisses am 15.Mai in Koblenz auf der August-Horch-Str." Beweis zu erheben.

Hier sollte dem Zeugen konkret mitgeteilt werden, dass es darauf ankommt, dass er Angaben zu den Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge und zu erkennbaren Abständen macht. Es kann darauf hingewiesen werden, dass der Zeuge eine Unfallskizze fertigt. Je nach Unfallgestaltung sollten dem Zeugen dann auch konkret...

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